Tomáš Pospíšek's Notizblock

eine unbewusste Fertigkeit lernen

Lieber Leser, kannst Du blind mit 10 Fingern schreiben? Wenn ja, weisst Du wie Dein Maschinen-Schreiben funktioniert? Sind Deine Finger synchron mit Deinen Gedanken? Oder denkst Du zuerst und dann erst "schickst" Du die Zeichenkette an die "Finger"? Und wie finden Deine Finger die Buchstaben? Weisst Du wo die Buchstaben sind, oder wissen das nur Deine Finger und Du nicht?

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Ich persönlich kann nur dann blind 10 Finger schreiben, wenn mich auf den Text konzentriere und nicht auf die Buchstaben. Die Umsetzung von Worten und Teilsätzen auf Buchstaben geschieht in einem opaken Subsystem, auf das ich so gut wie möglich keine Aufmerksamkeit zu lenken habe. Weil wenn das Tip-Subsystem vom Bewusstsein total in Ruhe gelassen wird, dann scheint es auch am besten zu funktionieren.

Vielleicht funktionert Bewusstsein analog zum "Tracing" von Funktionen bei Computerprogrammen: diese verzögern durch Einfügen von Spezial-Feedback-Instruktionen in den Code die Ausführung des Programmes. Und da Schnelligkeit und somit Timing beim Tippen essentiel ist, könnten externe Verzögerung das System durcheinander bringen, genau gleich, wie es bei anderen Timing-kritischen Systemen auch passieren würde.

Mir scheint aber eher, dass Bewustsein so etwas wie eine "Maske" ist, welche sich über einen Funktionsbereich legt, wie eine gallertartige Qualle, welche man über eine gedankliche oder Funktions-Region im Hirn legen kann und welche dieses Objekt zwar immer noch recht gut sichtbar durchblicken lässt, aber auch bizzar verzerrt und auch sehr träge macht, bzw. behindert.

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Auch interessant ist, dass ich selbst nicht bewusst weiss, wo einzelne Buchstaben sind, meine Finger dies jedoch sehr wohl und präzise wissen. Dies ist aussenordentlich bemerkenswert, heisst es doch, dass nicht nur Abläufe unbewusst beherrschbar sind, sondern auch "Landkarten" unbewusst abgespeichert und vorgegebene Orte auf diesen so erreicht werden können.

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Wenn man am Anfang des Lernens des 10 Finger Schreibens noch zwischen dem Denken des Textes und dem Tippen einen Unterbruch hat, während dem man überlegen oder nachsehen muss, wo ein Buchstabe auf der Tastatur ist bevor man ihn tippen kann, so scheint es, dass einem das Hirn später, wenn man blind tippen kann einem das Tippen und Denken des Textes als gleichzeitig erscheinen lässt - d.h. man denkt den Text und im gleichen Moment sprudelt er vom Bildschirm. Es fühlt sich wirklich absolut gleichzeitig an: es ist als ob die Finger ein Teil des Hirns, bzw. die Finger ein Teil des Denkens sein würden...

Diesbezüglich stellt sich auch die Frage - in Erfühlung der Tatsache, dass die Finger, aber vor allem die Sehnen zwischen Unterarm und Hand müde werden - ob man wohl eine andere technische oder sensorische Übertragung an den Computer hinkriegen würde, als über die Finger? Man würde annehmen, dass es somit nur eine Frage des Trainings eines Automatismus mit Feedback Funktion ist, bis einem dieser "ins Blut" übergeht...

Tomáš Pospíšek, 2009-10-15

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